08/2000:250 Pferde fliegen zu den Olympischen Spielen
Die "Olympia"- Pferde fliegen bei Lufhansa Cargo in der ersten Klasse.
Die vierbeinigen Passagiere fliegen First Class. Um die Pferde per Luftbrücke sicher zu den Olympischen Spielen nach
Sydney zu bringen, werden weder Mühen noch Kosten gescheut. Etwa 250 Pferde reisen in dieser Woche von Europa aus
nach Australien. “Wir gehen davon aus, dass wir mit unseren Boeings 747-200 90 bis 95 Prozent aller Olympia-Pferde nach
Australien fliegen”, sagte Frachtexperte Gerd Fricke von Lufthansa Cargo. Lufthansa Cargo und die Spedition Peden Bloodstock
des Iren Martin Atock haben drei Flüge von Frankfurt/Main und einen Flug von London aus Richtung Sydney organisiert.
Beide Unternehmen gelten als erfahren bei Tiertransporten. Nur die Niederländer verzichten auf ihre Dienste und lassen
ihre Pferde mit ihrer Fluglinie KLM nach Australien bringen. Der Grund, warum fast alle Olympia-Pferde von Europa aus nach
Sydney fliegen, ist, dass die weltbesten Reiter hier leben. Selbst die australischen und neuseeländischen Olympia-Kandidaten
sowie die meisten japanischen und südkoreanischen Reiter trainieren und starten in Europa. Die erste Lufthansa-Boeing 747-200
startete am Sonntag mit 45 Pferden an Bord in Frankfurt. Pünktlich um 21.30 Uhr Ortszeit landeten die Vierbeiner am Montag in
Sydney. Nach Zwischenstopps in Dubai und und Singapur wurden sie in den Horsley Park gebracht, wo sie noch zwei Wochen in
Quarantäne bleiben müssen. Am Montag verschwanden unter anderen die dänischen Dressur- und die brasilianischen
Springpferde im Bauch des Jumbos. Die deutschen Tiere fliegen am Donnerstag von Frankfurt aus ans andere Ende der Welt.
Die Pferde werden schon einen Tag vor dem Abflug zum Flughafen transportiert, damit sie sich vor der anstrengenden Reise noch
einmal ausruhen. Die Deutschen kommen direkt aus ihren Trainingslagern und Quarantäne-Orten in Warendorf (Springen),
Kronberg im Taunus (Dressur) und Kreuth bei Nürnberg (Military) nach Frankfurt. Die Pferde werden in desinfizierten und
verplombten Lastwagen gefahren und in einer zu einem riesigen Pferdestall umfunktionierten Frachthalle untergebracht. Den
Pferden mangelt es auf ihrem 24-stündigen Trip an nichts. Pfleger und Tierärzte kümmern sich um ihr leibliches
und seelisches Wohl. Wegen des langen Flugs brauchen sich die meisten Pferde eine Container-Box auch nur mit einem Artgenossen
zu teilen. Üblich sind drei Pferde in einer Box. Aus Rücksicht auf ihre tierischen Passagiere werden die Piloten
flacher starten und landen als bei reinen Personenflügen. Weil die Boeing 747-200 nicht nonstop bis nach Sydney fliegen
kann, sind die beiden Zwischenstopps in Dubai und Singapur notwendig. In Sydney werden die Pferde sofort auf die etwa 30
Kilometer außerhalb gelegene olympische Reitanlage in Horsley Park gebracht, wo die Quarantäne fortgesetzt wird.
Trotz der Belastungen würden die meisten Pferde einen solch langen Flug sehr gut verkraften, meinte Mannschafts-Tierarzt
Björn Nolting: “Ihnen geht es wie den meisten Menschen. Sie sind nach dem Flug etwas müde. Nach ein paar Tagen hat
sich das erledigt.” Auch Springreiter Marcus Ehning blieb gelassen: “Um meinen Hengst For Pleasure mache ich mir keine Sorgen.
Der hat mit Sicherheit mehr Flugkilometer hinter sich als ich.” Probleme mit dem Klimawechsel gibt es nicht. Im September
herrschen in Sydney Wetterbedingungen wie in Europa. Der Aufwand für die Tiertransporte zu den Olympischen Spielen ist
in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor. Noch nie wurden so viele Pferde für Olympia auf eine so weite Reise geschickt.
1956 in Melbourne hatten die Reiter wegen der Quarantänebestimmungen in Australien und der Transportproblemen ihre
Medaillengewinner in Stockholm ermittelt. Die Kosten für Hin- und Rückflüge in einer Zweierbox belaufen sich
pro Pferd plus seiner 350 kg schweren Ausrüstung auf zirka 76.000 Mark. Das Organisationskomitee in Sydney (SOCOG)
bezahlt aber nur den Betrag für die Flüge in einem Dreier-Container von rund 60.000 Mark. Für die Differenz
müssen die jeweiligen Verbände aufkommen. Insgesamt muss das SOCOG für die Transporte aus Europa etwa 15 Millionen
Mark berappen. Auch der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sind die vierbeinigen Athleten lieb und teuer. Die Pferde
dürfen zum einen in den Zweierboxen reisen, zum anderen hat der Verband jedes Pferd auch für zwei Monate mit 500.000 Mark
versichert. Viel Geld und dennoch nur ein schwacher Trost im Schadensfall. Denn der Marktwert der meisten Pferde übersteigt
die halbe Million um ein Vielfaches. Insgesamt lässt sich der Reiterverband das Abenteuer Olympia zwei Millionen Mark kosten.
(Quelle: ZDF.MSNBC Redaktion Aug. 2000)
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